Die zwei Seiten eines Blattes…

Die zwei Seiten eines Blattes…

Ich lese die Texte, die in den letzten Tagen meiner Feder entsprungen sind, den bescheidenen Beginn einer Schriftstellerkarriere. Dabei erfasse ich mit Erstaunen ein in mir aufsteigendes Gefühl, Hitze, ein Pochen in der Brust, verursacht durch den Blutdruck, welcher in die Höhe schnellt, gefolgt von einem abrupt errötenden Kopf. Ich überlege fast panisch, ob die beiden schriftliche Darstellung meiner konfusen Gedankenwelt nicht lieber sofort wieder gelöschten werden. Was ist los?
Die Texte erscheinen mir minderwertig, nichtssagend, wirr, so etwas wird doch nicht veröffentlicht. Ich frage mich, was, wenn das wirklich jemand liest? Dieser Leser nicht dieselben Empfindungen hat, die Beweggrund waren, diese chaotisch anmutenden Zeilen zu verfassen? Ist meine Intention nachvollziehbar? Schlimmer noch, es ist ein Profi, jemand, der Erfahrung hat und sich über die stolpernden Bestrebungen wundert, ein wenig Kreativität aus mir herauszuquetschen; oder es zumindest es zu versuchen.

Ich habe Angst.


Ein erwachsener Mann, Familienvater, hoch qualifiziert, seit Jahren in Führungspositionen im Gesundheitssektor tätig. Täglich konfrontiert mir Herausforderungen. Jemand, der Fragen beantwortet, zu denen es kein ‚richtig‘ oder ‚falsch‘ gibt.
Dieser Mensch hat Angst, nicht ernst genommen zu werden, belächelt, ausgelacht zu werden. Furcht, als Dilatant abgetan zu werden.

Moment mal, irgendetwas stimmt da nicht!

Ich schlage erst mal nach, wie Dilatant korrekt geschrieben wird und stelle, erstaunt und beschämt fest, dass der Begriff ‚dilatant‘ das Verhalten von zunehmender Viskosität bei steigender Schergeschwindigkeit eines nichtnewtonschen Fluids beschreibt. Autsch. Wovor ich Bedenken hatte, war ein ‚Dilettant‘ genannt zu werden, was spätestens jetzt begründet und unleugbar war. Und im Verlauf dieser Worte, die ich mit einer Mischung aus Scham und gnadenloser Offenheit gegenüber der Fehlerhaftigkeit meiner Selbst niederschreibe, frage ich mich, warum diese Empfindungen?


Ich habe zuwege gebracht, den Sprachschatz zu erweitern.
Zum einen wurde der Unterschied zwischen dem Begriff ‚Dilettant‘ und dem physikalischem Zustand ‚dilatant‘ erlernt. Zum anderen die Einsicht erlangt, dass Komplexe völlig unnötig sind.
Inspiriert durch meinen Drang zu schreiben, wurde ich bewegt, die Bedeutung des Begriffes ‚Dilettant‘ nachzuschlagen.
Der von mir seit früher Jugend mit dem schmuddeligen Kleid der Fehlerhaftigkeit, des ‚Möchtegern‘, des gut gewollt, aber nicht gekonnten, des ungebildeten minderwertigen bekleidet Ausdruck ist, in seiner ursprünglichen Bedeutung positiv aufzufassen.
Er bezeichnet einen Menschen, den Liebhaber einer Kunst beziehungsweise Wissenschaft, der sich ohne schulmäßige Ausbildung und nicht berufsmäßig damit beschäftigt. Ein Amateur oder Laie in Ausübung einer Sache um ihrer selbst willen. Aus Interesse, Vergnügen, Leidenschaft unterscheidet er sich somit von einem Fachmann.


Sind das nicht erstrebenswerte Charakteristika, Gewinn statt Makel?


Leider ist der Begriff in der Neuzeit nicht nur von mir negativ belegt, sondern gern genutzt zur Umschreibung einer „Unfähigkeit, niedere Problemstellungen zu begreifen und sie in geeigneter Weise zu bearbeiten“.
Aber was schert mich das? Ich bin ein positiver Mensch.
Warum mir den Kopf zerbrechen über Eventualitäten, wenn es Fortschritt brachte, Bildung bewirkt?
Ich habe etwas gelernt. Entwicklung ist ein Gut! Durch die Auseinandersetzung mit der Erwartung negativer Reaktionen und dem offenen Umgang mit meiner Fehlerhaftigkeit habe ich einen anderen Blickwinkel erlangt. Dies führte Gelassenheit herbei. Etwas Positives!

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